Das GPS-Dilemma – wie eine Ente die Desinformation unterstützt
Eine Falschmeldung über eine angebliche GPS-Störung wird genutzt, um die EU und ihre Vertreter zu diffamieren. Das ist ein typisches Muster der Desinformation.
Die sonst seriöse Financial Times berichtete am Montag (FT-Link) unter Berufung auf bulgarische Behörden, dass beim Anflug von Kommissionspräsidentin von der Leyen auf Plovdiv das GPS-Signal gestört worden sei. Sie habe deshalb eine Stunde in der Luft kreisen müssen, und die Piloten hätten den Anflug mit Papierkarten durchführen müssen.
Drei Tage später stellte die bulgarische Behörde klar, dass nichts davon zutraf. In der Zwischenzeit war die Aufregung groß. Gerüchte verbreiteten sich rasant und in sozialen Medien wuchsen die Reihen der angeblichen Flugexperten ins Unendliche.
Diese Falschmeldung lieferte den Freunden Russlands und den Verteidigern Putins reichlich Munition. Die EU wurde der Lüge bezichtigt. „Mainstream-Medien“ wurden der Unglaubwürdigkeit überführt. Zugleich wurde die Tatsache lächerlich gemacht, dass Russland GPS-Signale tatsächlich stört (s.Bild). Dabei ist das eine von vielen seit langem praktizierte Methode der Verunsicherung – (siehe Link: Quelle: ORF), wie Kallas schon vor Jahren festgestellt hat.
Zwei Beispiele der Verharmlosung der GPS-Störung und Lächerlich-Machung der EU durch X-Autoren mit jeweils 6-Stelligen Followerzahlen:

Dabei wird geflissentlich Übersehen, dass nicht die EU oder ihre Vertreter gelogen haben. Die Financial Times hat lediglich eine Ente verbreitet.
Was passiert tatsächlich bei GPS-Störung an Bord?
Piloten erkennen eine Störung, weil ihre Instrumente Abweichungen anzeigen. Dank moderner Systeme fällt das schnell auf. Die Besatzung greift dann nach erprobten Protokollen ein. Das bedeutet zusätzlichen Stress im Cockpit. Auch alternative Systeme wie ADS-B, ein bodengestütztes Navigationssystem, sind oft Ziel von Störungen.
Auf öffentlichen Plattformen, die Flüge mit GPS-Daten anzeigen, wirkt die Route durch solche Störungen oft wie eine Zickzacklinie. Tatsächlich fliegen die Piloten aber stabil und korrigieren Abweichungen meist über andere Systeme,
selten manuell.

Die Ente wird polemisierend als Story hochgezogen. Und damit von der tatsächlichen, aber hier ignorierten, GPS-Störung, abgelenkt. Die betroffene EU wird als Ganzes lächerlich gemacht -Screenshot aus X
Warum ist das ein Dilemma?
Die Falschmeldung lenkt vom eigentlichen Problem ab. Länder wie Russland und Iran stören GPS-Signale regelmäßig. Solche Angriffe sind Teil ihrer hybriden Kriegsführung und haben gravierende Folgen:
- Drohnen und Raketen treffen ihr Ziel nicht oder stürzen ab.
- Luftangriffe werden gestört, Flugzeuge fliegen weniger effizient.
- Die zivile Luftfahrt wird behindert. So entsteht Ärger über Flugprobleme, das Vertrauen in Airlines und Behörden sinkt, Angst und Spaltung nehmen zu.
Diese Eingriffe sind zudem fahrlässig und gefährden die Flugsicherheit. Ein Flugzeug hat aber immer mehrere Systeme, gerade für den Ausfall eines Systems, zur Verfügung. Trotzdem steht in so einem Fall eine Technologie weniger zur Verfügung. Russland und Iran nehmen das bewusst in Kauf. Sollte ein Unfall passieren, würden sie – wie schon beim Abschuss von MH17 – jede Verantwortung leugnen. Auch das wäre wieder eine Gelegenheit, die westliche Gesellschaft zu spalten und Vertrauen zu zerstören.
Das Kernproblem
Die Pressefreiheit erlaubt Fehler. Fehler wie jener der Financial Times verschaffen Gegnern zusätzliche Chancen für Desinformation und Disruption im Informationsraum. Eine strenge Kontrolle von Journalisten wäre jedoch Zensur. Das darf es in einer freien Demokratie nicht geben.
Die „Schwächen“ der Pressefreiheit werden daher gnadenlos gegen unsere Demokratie und ihre Gesellschaft eingesetzt. Unsere einzige Möglichkeit besteht darin, Manipulationen aufzudecken und die Gesellschaft widerstandsfähig gegen Desinformation zu machen.
Für den Fall des Fluges von der Leyens bedeutet das: Es ist nichts passiert, außer einer Welle von Desinformation und Verunsicherung, die von Desinformanten und diffamierenden Akteuren über uns, vor allem in social Media, losgetreten wurde.

Johannes Thun‑Hohenstein ist Präsident von INVED und in Politik, Medien und Wirtschaft aktiv. Er leitet das Coaching-Unternehmen „Thun Mindset Management“, ist als Mediator und Executive Coach tätig und engagiert sich gegen Desinformation und hybride Bedrohungen durch autoritäre Regime.
